Mit dem Fahrrad unterwegs

Wer Lust hat, kann hier meine Touren nachlesen, die ich mit dem Fahrrad unternommen habe. Radfahren bedeutet für mich Spaß und keineswegs Schinderei. Deshalb beträgt meine Durchschnittsgeschwindigkeit nie mehr als 14 km/h. Wer also sogenannte Trails mit anspruchsvollen Steigungen und Hindernissen erwartet, der ist hier falsch. Hier ist hauptsächlich "Gegend" zu sehen, mit Texten versehen. Neben meinen Radtouren schreibe ich hier zusätzlich noch ein paar Dinge auf, die ich interessant finde, die mich bewegt haben oder die ganz einfach zu meinem Umfeld gehören. Viel Spaß beim lesen.
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Montag, 22. April 2019

Fährunglück auf dem Rhein-Herne-Kanal

Inschrift neben dem Gedenkstein der Opfer des Fährunglücks vom 7. April 1946:

"In den letzten Kriegstagen des Zweiten Weltkriegs sprengte die zurückweichende Wehrmacht alle Brücken über den Rhein-Herne-Kanal im Gelsenkirchener Stadtgebiet. So sollte ein weiteres Vordringen der Alliierten verhindert werden. Ab dem 28. März 1945 waren somit sämtliche Verbindungsstraßen zwischen dem Norden und Süden der Stadt nicht mehr passierbar.

Da die notwendigen Baustoffe fehlten, konnte nach Kriegsende zunächst keine feste Fußgängerbrücke über den Rhein-Herne-Kanal in Höhe der Münsterstraße errichtet werden. Deshalb wurde Anfang 1946 ein Fährbetrieb eingerichtet. Diese Fähre bestand aus zwei ehemaligen Pionier-Behelfspontons, gezogen und geführt vom Ufer durch zwei Winden. Ihr Fassungsvermögen betrug bis zu 80 Personen.

Am Sonntag dem 7. April 1946, nach 14:00 Uhr, legte sich die nahezu vollbesetzte Fähre 10 Meter vom Ufer plötzlich schräg, sodass alle Passagiere ins Wasser stützten. Bis zum Eintritt der Dämmerung konnten zwei Kinder, fünf Frauen und dreizehn Männer leider nur noch Tod geborgen werden. Am nächsten Tag wurde bei den Bergungsarbeiten von den eingesetzten Tauchern ein weiterer Toter entdeckt.

Im Mai 1946 wurde der Betrieb nach baulichen Veränderungen an der Fähre und den Anlegepunkten mit einer Begrenzung der Personenzahl wieder aufgenommen. Ende Juni 1948 waren die Brücken über Emscher und Kanal soweit wieder hergestellt, das sich ein weiterer Einsatz der Fähre erübrigte. Insgesamt beförderte die Fähre in 2,5 Jahren rund 8 Millionen Personen.

Zur Erinnerung an die 21 Menschen, die bei dem tragischen Unglück 1946 ihr Leben lassen mussten, wurde 2016 der nebenstehende Gedenkstein geschaffen.
"


Obwohl der Gedenkstein schon Ende 2016 aufgestellt wurde, bin ich gestern das erste Mal hier vorbeigekommen. Bisher bin ich stets immer am Südufer entlang gefahren, u.a. weil sich die Marina Graf Bismarck dort befindet. Das Nordufer hatte ich deshalb vernachlässigt. Keine Ahnung, warum ich heute diese Seite des Kanals gewählt hatte. Wahrscheinlich, weil das Ufer gegenüber total überlaufen war.


Bemerkenswert ist, dass der Stein frei ist von Graffitis und diversen Schmierereien. Auf jeden Fall sei den Initiatoren Dank, die sich für den Gedenkstein eingesetzt hatten.

Sonntag, 21. April 2019

Zwiegespräch auf Ewald

Heute, am Ostersonntag, bin ich nach Zeche Ewald geradelt. Ich habe damit gerechnet, dass es dort brechenvoll sein wird und ich dort im Biergarten keinen Platz mehr kriege. Das war schon am Karfreitag der Fall gewesen, als ich zur Halde Haniel gefahren bin und an der Grafenmühle was trinken wollte. Es war dort derart voll gewesen, dass ich gleich weitergefahren bin. Aber auf Ewald war alles im grünen Bereich.


Ich habe mir dort ein großes Bier geholt und die Sonne genossen. Und während ich da so saß, setzte sich ein älteres Ehepaar gegenüber. Den E-Bikes sei Dank können jetzt auch solche Leute ins Grüne fahren, die früher aufgrund ihrer Altersbeschwerden zu Hause bleiben mussten. Ich gönne es den Leuten von Herzen. Bei Currywurst und Bier ließen sie es sich gut gehen. Der ältere Herr nahm einen kräftigen Schluck Bier, bevor er sich wieder der Currywurst widmete.

Frau: "Werner, hast du schon deine Tabletten genommen?"
Mann: "Nein!"

Und schon nestelte er in einer kleinen Tragetasche rum und zog eine Pillenschachtel hervor. Es war eine dieser Schachteln, die man immer im Krankenhaus kriegt wo "morgens, mittags und abends" draufsteht. Genau vier Pillen schluckte er runter.


Nachdem die Currywurst verspeist war, ging die Unterhaltung der beiden älteren Menschen weiter.

Frau: "Wo ist eigentlich die Bude, die sonst hier gegenüber immer stand"?
Mann: "Die ist nicht mehr da!"
Frau: " Was der Mann jetzt wohl macht?
Mann: "Wahrscheinlich nichts!"
Frau: "Der ist jetzt arbeitslos!"

Danach war es ruhig. Nach einer kurzen Pause ging es wieder los.

Frau: "Was kommt heute im Fernsehen?"
Mann: "Tatort!"
Frau: "Sonst nichts?"
Mann: "Weiß nicht! Hab nicht geguckt!"

Frau: "Wieviel Kilometer sind wir heute gefahren?"
Mann: "Auf´m Tacho stand 6,1 Kilometer. Wenn wir andersrum über Herten rumfahren, kriegen wir nochmal 8 km drauf.
Frau: "Das ist aber Scheiße. Müssen wir über Herten?"
Mann: " Nee, müssen wir nicht!"
Frau: "Dann machen wir das auch nicht!"

Ich hätte der Unterhaltung gerne noch etwas zugehört, obwohl es eigentlich unanständig ist. Aber ich hatte mein Bier ausgetrunken und keinen Grund mehr, weiter zu verweilen. 

Sonntag, 14. April 2019

Hat jemand eine alte Frontscheibe übrig?

Ich habe ganz schön malocht, um unseren Garten auf Vordermann zu bringen. Am meisten habe ich aber geschwitzt, als ich das ganze Grünzeug noch wegbringen musste. Insgesamt dreimal musste ich fahren.
Und wie ich es gelernt hatte, legte ich auf Ladungssicherung großen Wert. Als erstes haben die Reifen des Anhängers noch etwas Luft bekommen. Danach ging es ans Festzurren. Ich wollte schließlich nicht die Hälfte unterwegs verlieren, auch wenn das die einfachste Art und Weise der Entsorgung wäre.




Von Horst aus ging es über die Flur- und Ekhofstraße und dann quer über das Gelände des FC Schalke 04 bis zum Betriebshof an der Adenauerallee.
Wie immer, ist die Abgabe von Grünzeugs kostenlos. Ich hatte nur ein einziges Problem. Die Quittung musste unter die Frontscheibe gelegt werden. Ich hatte aber keine. Freundlicherweise haben mir die Arbeiter ausnahmsweise erlaubt, dort ohne Frontscheibe abzuladen. Aber beim nächsten Mal muss ich unbedingt eine haben. Vorschrift ist Vorschrift.
*Grins


Mein Bruder Wolfgang † 14.Juni 2018

Links ist Wolfgang, rechts bin ich.


Es gibt Menschen, die von sich sagen, dass sie ihr Leben wirklich gelebt und ausgekostet haben. So ein Mensch war mein Bruder Wolfgang, der genau das ca. eine Woche vor seinem Tod zu mir sagte. Mein Haus, mein Boot, mein Auto ..., das traf nicht auf ihn zu. Er hat einfach nur gelebt. Zwei gescheiterte Ehen hatte er hinter sich und fünf prächtige Kinder gezeugt. Eigentlich waren es ja sechs. Das sechste Kind wurde in Lappland am Polarkreis gezeugt und geboren und war der Scheidungsgrund für die erste Ehe. So kann es gehen. Von diesem Kind habe ich allerdings nie wieder etwas gehört.

Geboren wurde Wolfgang an der Wesermündung. Das heißt, er ist ganz knapp daran vorbeigeschlittert, ein Ostfriese zu sein. Als Kind kann man sich ja seinen Aufenthaltsort nicht aussuchen. Das soll nicht heißen, dass es da oben hoch im Norden nicht auch schön ist. Aber meine Familie war von Anfang an dort fehlplatziert, ein Schönheitsfehler sozusagen. Wir waren Flüchtlinge, die aus dem Osten Deutschlands vor den heranrückenden Sowjets geflohen sind. Und wir waren bettalarm und wohnten in einem Barackenlager.

Wolfgang (rechts) im Lager Strohhausen an der Unterweser

Wir Kinder haben von der Armut nicht viel gespürt. Wir hatten die Natur um uns, unzählige Gräben, weite Wiesen und den Deich. Und wir hatte unsere Angel, mit der wir Aale angelten.


 Am Badestrand hinter dem Deich


1960 sind wir dann nach Gelsenkirchen-Schalke gezogen. Irgendwie haben wir das alle gut verarbeitet, aus einer einsamen Gegend heraus in eine Großstadt zu ziehen. Nur Wolfgang nicht. Er hatte ein paar Mal versucht abzuhauen, weil er Sehnsucht nach der Nordseeküste hatte. Einmal hat ihn die Polizei in Dorsten aufgegriffen, als er mit seinem Roller nach dahin unterwegs war. Es war wohl sowas wie Instinkt, dass er immer die richtige Richtung nach Norden gefunden hat.

Wolfgang (links) auf dem Balkon an der Breslauer Straße

Aber dann gewöhnte sich Wolfgang doch an die Großstadt und die Erinnerung an die Nordsee verblasste. Er machte bei der Bäckerei Nieswandt auf der Grillostraße eine Lehre als Bäcker, konnte aber später wegen zunehmender Mehlstauballergie seinen Beruf nicht weiter ausüben. Er fand dann eine Stelle als Eisenanstreicher und hat diesen Job viele Jahre ausgeübt. 
Wolfgang kam mit Autos nie zurecht. Ihm fehlte jeglicher Bezug zu dieser Art Fortbewegungsmittel. Deshalb ist es auch nur bei zaghaften Versuchen geblieben, sich ein Auto zuzulegen. Ihm lagen mehr die Zweiräder. Schon als Jugendlicher unternahm er weite Touren mit seiner Kreidler, nur beschränkt duch chronischen Geld- und damit Benzinmangel.

 Die letzten 10 Jahre seines Lebens war Wolfgang Single. Er kaufte sich ein Motorrad und war fortan immer unterwegs, wenn die Zeit es zuließ. Das Motorrad war sein Leben. Als er dann endlich Rentner wurde, war er überhaupt nicht mehr zu Hause. Und wenn das Leben es gut mit ihm gemeint hätte, wäre er immer noch unterwegs. Aber das Schicksal stoppte ihn von einem Tag auf den anderen. 
Auf einer seiner Touren erwischte ihn ein Pkw und schleuderte ihn über die Motorhaube. Die Ärzte mussten ihm einen Unterschenkel amputieren. Äußerlich verpackte er diesen Schicksalsschlag ganz gut. Wie es aber in ihm drinnen aussah, konnte nur er wissen. Er sprach immer wieder davon, dass man auch mit einem Bein noch Motorrad fahren kann, wenn die Maschine entsprechend umgebaut würde. Das eigentliche Problem für ihn war die Neuerteilung des Führerscheines.

Es hatte lange gedauert, bis er sich damit abfinden konnte, kein Motorrad mehr zu fahren. Weil er aber kein Typ ist, der resigniert, kaufte er sich ein spezielles dreirädriges Fahrrad mit Elektrounterstützung. Wir haben dann zusammen viele Touren unternommen. Da hat es mir auch nicht viel ausgemacht, dass ich immer hinter ihm herfahren musste, wenn eine Steigung kam. Ich hatte ja keine Motorunterstützung. Wolfgang sagte einmal, er ist aus der Bundesliga in die 2. Liga abgestiegen, die aber so verkehrt auch nicht war. Wir hatten viel Spaß miteinander.




Da hat wohl jemand die Kurve zu scharf genommen.

Wir hatten selbst dann noch Spaß, als Wofgang die Diagnose "Lungenkrebs" bekam. Er steckte nicht nur die Chemos alle so weg sondern fuhr auch noch mit mir weiter so einige Radtouren bis an den Rhein oder an der Ruhr entlang. Am liebsten aber sind wir immer nach Ewald geradelt auf ein Bier und eine Currywurst.


Wolfgang an seinem Lieblingsplatz


Und es wurde auch mein Lieblingsplatz

Wir beide haben die Saison 2017 so richtig genossen. Als dann das Wetter schlechter wurde, war es nicht nur vorbei mit den Fahrradtouren. Wolfgang musste sich auch einer Operation unterziehen. Ihm wurde ein Teil des linken Lungenflügels entfernt. Nach Aussage der Ärzte hatte der Krebs nicht gestreut. Man wollte jedoch zur Vorsicht noch eine Chemo hinterher schieben. 

Wolfgang nach seiner Lungen-OP auf unserer Terrasse

Es dauerte nicht lange, da meldete sich der Krebs zurück. Er meldete sich mit Schmerzen in der Lendenwirbelsäule, die kaum noch auszuhalten waren. An der Wirbelsäule hatte sich eine Metastase festgesetzt. Wolfgang wurde noch einmal operiert, diesmal an der Wirbelsäule. Wolfgang war dann den Winter über zu Hause und langweilte sich sehr. Ich konnte ja nicht jeden Tag bei ihm sein. Im Frühjahr wollte er wieder mit dem Fahrrad raus.
Das Frühjahr 2018 war dann kein richtiges Frühjahr sondern ein früher Sommer. Schon seit geraumer Zeit litt Wolfgang unter Appetitlosigkeit und starker Übelkeit. Das wurde so schlimm, dass er keine Nahrung mehr zu sich nahm, weil alles sofort wieder rauskam. Er wurde so schwach, dass er nicht mehr in der Lage war, alleine aufzustehen.
Im Krankenhaus wurden Metastasen im Gehirn festgestellt, denen man mit Bestrahlungen zu Leibe rückte. Wolfgang sollte anschließend eine Immuntherapie machen, die ihn dann nicht so sehr belasten würde. In der Zwischenzeit ist er aber so schwach geworden, dass er sich noch nicht mal alleine umdrehen konnte oder auch nur den Arm heben. 

Die Bestrahlungen zeigten langsam Erfolg. Der Tumor im Gehirn ging zurück und es kam auch langsam der Appetit wieder. Und als die Behandlung in der Klinik dann abgeschlossen war, stand der Absieg in die nächsten unteren Ligen bevor. In der 2. Bundesliga war er schon lange nicht mehr vertreten. Wolfgang kam zunächst in die Kurzeitpflege. Niemand konnte vorhersagen, wie sich der Zustand von Wolfgang verändern würde. 
Im Pflegeheim besserte sich sein Zustand tatsächlich von Tag zu Tag. Er kam wieder etwas zu Kräften und nahm auch wieder am Leben teil. 

 Mai 2018 Wolfgang mit seinem Liebslingseis vom Italiener

Wolfgang fing an, Pläne zu schmieden. Dass er wieder nach Hause kann, sah er mittlerweile auch als utopisch an. Er wollte sich darum kümmern, dass er wenigstens ein Einzelzimmer im Pflegeheim bekommt. Leider kam er nicht mehr dazu. Von jetzt auf gleich, ganz plötzlich, ist er verstorben. Es war kein Abschied möglich.

Ruhe in Frieden.