Mit dem Fahrrad unterwegs

Wer Lust hat, kann hier meine Touren nachlesen, die ich mit dem Fahrrad unternommen habe. Radfahren bedeutet für mich Spaß und keineswegs Schinderei. Deshalb beträgt meine Durchschnittsgeschwindigkeit nie mehr als 14 km/h. Wer also sogenannte Trails mit anspruchsvollen Steigungen und Hindernissen erwartet, der ist hier falsch. Hier ist hauptsächlich "Gegend" zu sehen, mit Texten versehen. Neben meinen Radtouren schreibe ich hier zusätzlich noch ein paar Dinge auf, die ich interessant finde, die mich bewegt haben oder die ganz einfach zu meinem Umfeld gehören. Viel Spaß beim lesen.
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Sonntag, 6. Dezember 2015

Kalt erwischt

Es gibt Tage im Leben, die möchte man einfach vergessen. Einer dieser Tage war Sonntag, 13. Januar 2013. Es lief im Grunde aber schon am Freitag vor dem besagtem Sonntag schief, weil ich ohne Not mal wieder meinen Rüssel in Dinge gesteckt habe, die mich eigentlich nichts mehr angingen. Mein Kollege saß oben beim Chef im Büro und sie gingen gemeinsam die neuen Touren durch, die Cheffe geplant hatte.
Ich selber hätte an diesem Tage einfach Feierabend machen sollen. Aber ich war so doof zum Chef raufzugehen, um mich ins Wochenende zu verabschieden. Der Chef fragte mich, ob ich auch mal schauen möchte, wie die neuen Touren aussehen. Ich hatte nicht wirklich die Wahl  entweder nein zu sagen und nach Hause zu gehen oder eben zu bleiben und zu sehen, was Cheffe da verzapft hatte. Also bin ich innerlich seufzend geblieben und habe mit meinem Kollegen und dem Chef die neuen Touren auf dem Computerbildschirm betrachtet. Ich dachte mir schon, dass die Touren fernab jeglicher Realität sein würden, waren sie doch von einem Theoretiker geplant, der nicht wissen konnte, wie es draußen aussieht.

Ich habe mir eigentlich jeden Kommentar verkniffen, weil ich einfach nur nach Hause wollte. Aber für die frühe Tour am Sonntag Abend war die Planung so fehlerhaft, da konnte ich meinen Mund nicht halten. Die Tour war innerhalb der erlaubten 10 Stunden Arbeitszeit gar nicht zu schaffen und auch sonst wäre sie ziemlich an der Grenze des Erträglichen. Nach einigem fruchtlosen Palaver schlug ich letztendlich vor, dass ich diese Tour zusammen mit einem der dafür vorgesehenen Fahrer abarbeite und über die Probleme berichte.  Ich Doofer! Chef war damit einverstanden und mit 2 Stunden Verspätung habe ich dann Feierabend gemacht.

Oh Gott, was bin ich doch für ein Blödmann gewesen.  Warum kann ich nicht einfach mal die Fresse halten und alles so laufen lassen? Ich selber hätte die Tour ja nie fahren müssen. Vielleicht liegt es daran, dass ich nicht aus meiner Haut konnte und immer danach gehandelt habe, dass ich niemandem etwas zumuten kann, was ich mir nicht auch zumuten würde. Die heutige Generation ist da wohl anders gestrickt, aber das soll nicht Thema dieses Postes sein.
Der Sonntag rückte näher und wie konnte es auch anders sein, das Wetter verschlechterte sich zusehens. Es schneite, wie es bisher im ganzen Winter nicht geschneit hatte. Abends um 19 Uhr wollte wir mit der Tour beginnen. Mein Kollege war bereits da, als ich in der Firma ankam. Wir beluden die Zugmaschine und den Anhänger und sind dann sofort rausgefahren. Die Straßen waren zu diesem Zeitpunkt schon ziemlich glatt und es war kein Ende abzusehen, wann der Schneefall aufhört.

Archivfoto ohne Zusammenhang mit den Ereignissen

Es war ein Segen für meinen Kollegen, dass wir heute zu zweit waren. Man bekommt dicke Arme, wenn man Rollcontainer durch den Schnee ziehen muss, die teilweise um die 200 kg und mehr wiegen. Nachts sind weder Straßen noch Bürgersteige geräumt, erst recht nicht am Sonntag. Eigentlich war der Versuch jetzt schon gescheitert. Unter diesen Bedingungen ließ sich nicht wirklich feststellen, ob die Tour zu schaffen ist oder nicht. Mein Kollege und ich versuchten also das Beste aus der Situation zu machen und waren hinterher auch einigermaßen pünktlich.

Es schneite die ganze Nacht bis ca. 5 Uhr morgens. Es müssen ungefähr 30 cm gewesen sein, die da auf den Straßen lagen. Das Malheur begann in Bochum-Langendreer, als wir den Anhänger abstellen mussten, weil bei den nächsten zwei Kunden die Zufahrt mit dem kompletten Gespann nicht möglich war. Wir stellten den Anhänger an einer Landstraße mit Seitenstreifen ab. Der Seitenstreifen war natürlich hoch mit Schnee bedeckt. Mit der Zugmaschine sind wir dann die letzten 2 Kunden angefahren und haben drei Kreuze gemacht, als wir endlich fertig waren.

An der Landstraße angekommen wo der Anhänger stand, gab es dann ein paar Probleme beim ankuppeln. Der Kollege fuhr rückwärts an den Anhänger heran. Kurz bevor die Zugöse auf die Anhängerkupplung traf, drehten die Antriebsräder durch. Kein Problem haben wir gedacht. Ich machte den Anhänger auf und holte von der Ladefläche eine Schüppe und Streusalz, das wir in weiser Voraussicht mitgenommen hatten. Ich fing also an, den Schnee unter den Antriebsrädern wegzuschaufeln und mit Streusalz zu bearbeiten. Der Kollege unternahm dabei immer wieder den Versuch, an den Anhänger heranzufahren.
Er muss wohl zuviel Gas gegeben haben, denn der Lkw machte auf einmal einen Satz, weil er plötzlich Grip bekam. Die Deichsel des Anhängers schob sich laut in das Fangmaul hinein. Aus meiner Position heraus, ich stand seitlich an den Hinterrädern, konnte ich nur erkennen, dass das Zugseil, mit dem das Fangmaul normalerweise geöffnet wird, ganz eingezogen war. Ein Zeichen, dass der Bolzen gefallen ist, der die Zugmaschine mit dem Anhänger verbindet. Mein Kollege kroch dann unter die Zugmaschine und kuppelte die Anschlüsse an. Ich ging derweil nach hinten zum Anhänger und verstaute Schüppe und Streusalz. Mein Kollege und ich waren gleichzeitig fertig und wir stiegen ein. Es war auch mein Fehler! Ich hätte nachsehen müssen, ob die Verbindungen alle ordnungsgemäß geschlossen sind. Ich hätte mich nicht darauf verlassen sollen, dass mein Kollege das macht. Es wäre zu billig, jetzt ihm die Schuld alleine in die Schuhe zu schieben.

Ich muss gestehen, ich war froh, wieder im warmen Führerhaus zu sitzen. Meine Füße waren eiskalt und naß. Meinem Kollegen ist es bestimmt ebenso ergangen, denn er drehte die Heizung auf. Außerdem waren wir hndemüde. Es war bereits 8 Uhr am Morgen und wir waren insgesamt etwas mehr als 11 Stunden unterwegs gewesen. Und dann ging es endlich Richtung Heimat zum Hof. Wir sind in Witten-Zentrum auf die A 44 gefahren und dann auf die A43 Richtung Herne. Ich schwöre, ich habe nichts bemerkt, genausowenig wie mein Kollege. Kurz vor Bochum-Riemke hupte uns ein Autofahrer auf der Überholspur an und deutete mit dem Finger immer nach hinten. Mein Kollege wurde plötzlich leichenblaß, nachdem er in den Spiegel geschaut hatte. Der Anhänger war weg. Es wird immer erzählt, man müsste das merken, wenn der Anhänger abreißt. Es muss doch einen Ruck geben oder sowas in der Art. Aber das stimmt nicht. Wahrscheinlich haben wir nichts bemerkt, weil der Anhänger leer war. Wir sind dann sofort an der Ausfahrt runter und zurück gefahren. Im Kreuz Bochum haben wir dann auf der anderen Fahrbahnseite unseren Anhänger gesehen. Er ist auf dem Schnee auf den Seitenstreifen gerutscht und sauber zum Stehen gekommen.


Mein Kollege musste jetzt wohl oder übel die Polizei rufen. Zu Recht machte er sich Gedanken, welche Strafe ihn erwarten würde. Schließlich war er der Fahrer und er war nach dem Gesetz verantwortlich für diese Situation.


Bei allem Verständnis für die Situation und dem Adrenalin, welches hier freigesetzt worden ist, sollte der Kollege besser nicht so lässig hinter der Zugmaschine stehen. Bei dieser Witterung ist das eindeutig zu nah an der Fahrbahn.


Die Polizei kam dann auch sehr rasch. Seine und meine Fahrerkarte wurde ausgelesen. Weil wir zu zweit waren, gab es nichts zu beanstanden. Im Team dürfen wir ja pro Schicht 20 Stunden ohne Ruhezeit ein Fahrzeug lenken. Wäre der Kollege alleine gewesen, hätte er einen derben Verstoß gehabt, denn mehr wie 10 Stunden darf er nicht arbeiten. Die Sitten sind rauh, wenn man als Lkw-Fahrer unterwegs ist. So aber war die Fahrerkarte in Ordnung. Weil bei dem Unfall kein Dritter zu Schaden gekommen ist, verzichteten die Polizisten auch auf den üblichen Obulus von 35 Euro, den sie sonst dafür kassieren.

Man konnte jetzt auch deutlich sehen, was passiert ist. Als die Zugmaschine beim Ankuppeln den Satz nach hinten machte, hat die Zugöse der Deichsel das Fangmaul seitlich durchstoßen. Das Fangmaul selber besteht ja nur aus Gußeisen, weil es nichts zu halten hat. Durch den Stoß ist auch der Bolzen gefallen. Allerdings nicht in die Zugöse hinein, wo er hin sollte, sondern daneben. Der Bolzen klemmte jetzt die Zugöse in kaputten Fangmaul ein. Im Kreuz Bochum hat dann das Material der Belastung nicht mehr standgehalten. Das Stück, welches die Öse bzw. die Deichsel noch festgehalten hatte, muss wohl ganz rausgebrochen sein. Der Anhänger löste sich. Wenn der Anhänger sich löst und der Luftschlauch abreißt, macht er automatisch eine Vollbremsung.

Auf dem Foto unten sieht man links am Fangmaul das Loch, welches die Deichsel gestoßen hatte. Der Bolzen ist hier zwar oben, aber den hatte der Polizist nach oben gezogen. Er war vorher unten gewesen.


Jetzt blieb nur noch, den Anhänger von der Autobahn zu kriegen. Wir konnten ihn selbst nicht mehr aufnehmen, weil die Anschlüsse alle abgerissen waren und sich der Anhänger ohne Luft keinen Millimeter bewegen würde. Man kennt ja mittlerweile alle Abschlepper in der Umgebung und deshalb habe ich den Klotzbach angerufen, der seine Firma in Bochum hat. Wir selber hatten es nicht weit zur nächsten Werkstatt. Die war eigentlich schon in Sichtweite, aber eben durch die Autobahn auch wiederum weit weg. Der Klotzbach kam dann nach einer gewissen Zeit. Er hatte bei dieser Witterung ziemlich viel zu tun. Er nahm dann den Anhänger auf und schaffte erstmal provisorisch einen neuen Anschluß für die Luftleitung. Danach konnte er ihn wegziehen zur Werkstatt. Wir sind ihm dann mit der Zugmaschine gefolgt. Nachdem wir in der Werkstatt alle Formalitäten für die Reparatur erledigt hatten, ließen wir uns mit einem Taxi zur Firma kutschieren. Um 13 Uhr haben wir dann endlich Feierabend gemacht, nach gut 17 Stunden. Ich hatte erbärmlich gefroren und ständig nasse Füße gehabt. Das ist nicht ohne Auswirkung geblieben. Noch am selben Tag hat es mich von den Socken gehauen und ich war so krank, dass ich dachte, ich muss sterben. So schlimm hatte ich es noch nie. Als ich dann wieder halbwegs hergestellt war, schwor ich mir, sowas nie wieder durchzumachen. Bis jetzt habe ich das auch nicht und die Wahrscheinlichkeit ist gering, dass es noch mal passiert. Wenn es jetzt schneien sollte, bleibe ich einfach im Bett, zumindest aber in meiner warmen "Bude".

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