Mit dem Fahrrad unterwegs

Wer Lust hat, kann hier meine Touren nachlesen, die ich mit dem Fahrrad unternommen habe. Radfahren bedeutet für mich Spaß und keineswegs Schinderei. Deshalb beträgt meine Durchschnittsgeschwindigkeit nie mehr als 14 km/h. Wer also sogenannte Trails mit anspruchsvollen Steigungen und Hindernissen erwartet, der ist hier falsch. Hier ist hauptsächlich "Gegend" zu sehen, mit Texten versehen. Neben meinen Radtouren schreibe ich hier zusätzlich noch ein paar Dinge auf, die ich interessant finde, die mich bewegt haben oder die ganz einfach zu meinem Umfeld gehören. Viel Spaß beim lesen.
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Donnerstag, 16. April 2015

Jäger Brot und gute Butter...

... hilft dem Vater auf die Mutter. Das war früher einer von vielen Sprüchen, die ich zu hören bekam. Ich war noch jung und knackig, als ich bei Jäger Brot als Verkaufsfahrer gearbeitet habe.


Die Brotfrabrik Jäger war ein altes Traditionsunternehmen, dass ihre Produkte in der Anfangszeit noch mit Pferd und Wagen, später dann mit Autos zu den Verbrauchern brachte. Berühmt war die Firma für ihre Schokokringel. Heute sagt man Donuts dazu, obwohl die Jäger-Kringel nicht damit zu vergleichen waren. Das Rezept für die Kringel hat der Inhaber wohl mit ins Grab genommen. Ich habe nie wieder ein vergleichbares leckeres Gebäck gegessen.
Insgesamt 18 Jahre habe ich in dieser Firma gearbeitet. Ich kann mich noch genau daran erinnern, wie ich das erste Mal mit dem Lohn die 1000 Mark-Grenze überschritten habe. Mein Gott, was war ich stolz. Ich habe das mit meiner Frau auch gebührend gefeiert.  Damals gab es auch noch einen richtigen Lohnstreifen, so ein schmales langes Stück Papier mit den Dimensionen 3 cm hoch und 25 cm lang. Wenn also jemand wissen will, woher der Name Lohnstreifen kommt, dann weiß er es jetzt. Der Lohn wurde noch bar ausgezahlt. Eine Bank oder Sparkasse kannte ich nur von außen. Jedenfalls solange, bis auch die Firma auf die bargeldlose Lohnzahlung umsprang. Schade eigentlich! *Seufz
Meine damalige Firma, bzw. eines der Fahrzeuge mit dem Lüfter auf dem Dach,  war sogar mal ein Filmstar. In dem Film "Theo gegen den Rest der Welt" mit Marius Müller- Westernhagen fuhr unser VW-Bus mal eben durch das Bild.
Der Firmeninhaber war ein sehr phantasiebegabter Mensch, wenn es um das Aushecken von neuen Arbeitszeitmodellen, Arbeitsbedingungen und der Bezahlung ging. Das ging in den letzten 10 Jahren los, in denen ich bei der Firma Jäger gearbeitet hatte. Ich weiß nicht mehr, wie viele Klagen ich mit Herrn Jäger vor dem Arbeitsgericht geführt habe. Sie lagen von der Anzahl her im Laufe der Jahre im hohen zweistelligen Bereich. Manchmal bekam ich Post von meinem Anwalt, die ich nicht sofort einer Klage zuordnen konnte, weil parallel noch andere rechtshängig waren und einige in einer höheren Instanz. Wenn man mich fragt, ob das Arbeiten unter solchen Umständen nicht belastend war, kann ich das nur mit "ja" beantworten. Es war insofern belastend, dass ich gerne wieder so gearbeitet hätte wie die 8 Jahre davor.  Ansonsten habe ich wegen der Klagen keine Nachteile gehabt. Herr Jäger war in dieser Beziehung sehr sportlich veranlagt. Es war nicht so, dass er immer verloren hatte. Ich habe auch oft genug Federn lassen müssen. Er hat durchaus Verständnis dafür gezeigt, dass ich mein Recht über die Gerichtsbarkeit gesucht habe.
Trotz der Querelen habe ich gerne in der Firma Jäger gearbeitet. Die Produkte, die wir verkauft hatten, waren von hoher Qualität. Gut, die Hygiene war nicht ganz so doll wie man es hätte erwarten können. Aber damals waren andere Zeiten. Da gab es noch kein HACCP oder sowas in der Richtung. Haarnetze? Noch nie was davon gehört! Wir haben uns auch keine Gedanken darüber gemacht. Hauptsache das Brot und der Kuchen haben geschmeckt. Und das hat es, wie man unschwer auf dem Bild erkennen kann. Die Backen sind noch voll.
 Und hier werden die Sahnetorten hergestellt. Bernie macht 20 bis 30 Stück in der Stunde, ohne dass ihm das Mühe bereitet. Eine Hausfrau schafft oft noch nicht mal eine in der Stunde. Abgesehen davon würde es heute auch nicht mehr möglich sein, aus Gründen der Hygiene die Torten auf diese Art und Weise herzustellen. Wenn ich rückblickend den Arbeitstisch betrachte und die damit verbundenen unhygienischen Zustände, müsste sich bei mir die Frage stellen, ob ich die Produkte heute immer noch so heiß und innig lieben würde wie damals. Die Antwort ist eindeutig. Ich würde die leckeren Torten immer noch heißhungrig verzehren.


Und auch das ist ein Relikt aus der Vergangenheit. Welche Bäckerei schlägt heute noch selber Eier auf? Das machen allenfalls noch kleine Familienbetriebe, die keine Filialen haben und entsprechend geringe Stückzahlen herstellen.

Leider ist mein Chef viel zu früh von uns gegangen. Ich schreibe "leider", auch wenn wir so unsere Problemchen miteinander hatten. Herr Jäger hatte immer gesagt, mit 50 hört er auf und genießt sein Leben. Im Endspurt hat er es leider nicht geschafft. Er kam mit seinem Sohn von einem Unternehmensberater in Wuppertal. Auf der A 43 hielt er an, um den nachfolgenden Verkehr vor Glatteis auf der Brücke zu warnen. Dabei hat ihn ein Pkw angefahren und tödlich verletzt.
Seine Frau und die Kinder haben zwar versucht, die Firma weiterzuführen, aber man merkte ihnen an, dass sie eigentlich keine Lust und auch nicht das nötige Format hatten, um erfolgreich zu sein. Die Firma wurde geschlossen. Es war ein Trauerspiel! 450 Leute haben ihren Job verloren. Die Brotfabrik Berhard Jäger in Gelsenkirchen-Scholven gibt es nicht mehr.

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