Die Brotfrabrik Jäger war ein altes Traditionsunternehmen, dass ihre Produkte in der Anfangszeit noch mit Pferd und Wagen, später dann mit Autos zu den Verbrauchern brachte. Berühmt war die Firma für ihre Schokokringel. Heute sagt man Donuts dazu, obwohl die Jäger-Kringel nicht damit zu vergleichen waren. Das Rezept für die Kringel hat der Inhaber wohl mit ins Grab genommen. Ich habe nie wieder ein vergleichbares leckeres Gebäck gegessen.
Insgesamt
18 Jahre habe ich in dieser Firma gearbeitet. Ich kann mich noch genau
daran erinnern, wie ich das erste Mal mit dem Lohn die 1000 Mark-Grenze
überschritten habe. Mein Gott, was war ich stolz. Ich habe das mit
meiner Frau auch gebührend gefeiert. Damals gab es auch noch einen
richtigen Lohnstreifen, so ein schmales langes Stück Papier mit den
Dimensionen 3 cm hoch und 25 cm lang. Wenn also jemand wissen will,
woher der Name Lohnstreifen kommt, dann weiß er es jetzt. Der Lohn wurde
noch bar ausgezahlt. Eine Bank oder Sparkasse kannte ich nur von außen.
Jedenfalls solange, bis auch die Firma auf die bargeldlose Lohnzahlung
umsprang. Schade eigentlich! *Seufz
Meine
damalige Firma, bzw. eines der Fahrzeuge mit dem Lüfter auf dem Dach,
war sogar mal ein Filmstar. In dem Film "Theo gegen den Rest der Welt"
mit Marius Müller- Westernhagen fuhr unser VW-Bus mal eben durch das
Bild.
Der
Firmeninhaber war ein sehr phantasiebegabter Mensch, wenn es um das
Aushecken von neuen Arbeitszeitmodellen, Arbeitsbedingungen und der
Bezahlung ging. Das ging in den letzten 10 Jahren los, in denen ich bei
der Firma Jäger gearbeitet hatte. Ich weiß nicht mehr, wie viele Klagen
ich mit Herrn Jäger vor dem Arbeitsgericht geführt habe. Sie lagen von
der Anzahl her im Laufe der Jahre im hohen zweistelligen Bereich.
Manchmal bekam ich Post von meinem Anwalt, die ich nicht sofort einer
Klage zuordnen konnte, weil parallel noch andere rechtshängig waren und
einige in einer höheren Instanz. Wenn man mich fragt, ob das Arbeiten
unter solchen Umständen nicht belastend war, kann ich das nur mit "ja"
beantworten. Es war insofern belastend, dass ich gerne wieder so
gearbeitet hätte wie die 8 Jahre davor. Ansonsten habe ich wegen der
Klagen keine Nachteile gehabt. Herr Jäger war in dieser Beziehung sehr
sportlich veranlagt. Es war nicht so, dass er immer verloren hatte. Ich
habe auch oft genug Federn lassen müssen. Er hat durchaus Verständnis
dafür gezeigt, dass ich mein Recht über die Gerichtsbarkeit gesucht
habe.
Trotz
der Querelen habe ich gerne in der Firma Jäger gearbeitet. Die
Produkte, die wir verkauft hatten, waren von hoher Qualität. Gut, die
Hygiene war nicht ganz so doll wie man es hätte erwarten können. Aber
damals waren andere Zeiten. Da gab es noch kein HACCP oder sowas in der
Richtung. Haarnetze? Noch nie was davon gehört! Wir haben uns auch keine Gedanken darüber gemacht. Hauptsache
das Brot und der Kuchen haben geschmeckt. Und das hat es, wie man
unschwer auf dem Bild erkennen kann. Die Backen sind noch voll.
Und auch das ist ein Relikt aus der Vergangenheit. Welche Bäckerei schlägt heute noch selber Eier auf? Das machen allenfalls noch kleine Familienbetriebe, die keine Filialen haben und entsprechend geringe Stückzahlen herstellen.
Leider
ist mein Chef viel zu früh von uns gegangen. Ich schreibe "leider",
auch wenn wir so unsere Problemchen miteinander hatten. Herr Jäger hatte
immer gesagt, mit 50 hört er auf und genießt sein Leben. Im Endspurt
hat er es leider nicht geschafft. Er kam mit seinem Sohn von einem
Unternehmensberater in Wuppertal. Auf der A 43 hielt er an, um den
nachfolgenden Verkehr vor Glatteis auf der Brücke zu warnen. Dabei hat
ihn ein Pkw angefahren und tödlich verletzt.
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